Zunächst denkt man an RAMLEH, welches dem Sammler der Deutschen Post in der Türkei durch den Nebenstempel „Aus Ramleh (Palästina)“ bekannt ist. Aber schnell erweist sich das als Irrtum, denn der Brief ist nach Ägypten adressiert.
Nun beginnt eine etwas mühsame Suche, denn wo befindet sich Ramlé in Ägypten? Letztendlich lässt sich aber feststellen, dass es ein Stadtteil von Alexandria oder Alexandrien nach Alexander dem Großen ist, welches heute mit über 4,3 Millionen Einwohnern (Stand 2009) und einer Ausdehnung von 32 Kilometern entlang der Mittelmeerküste nach Kairo die zweitgrößte Stadt Ägyptens ist. Die Suche ist auch erleichtert worden durch rückseitige Stempel, nämlich einen Durchgangsstempel von Port Said und einen weiteren von Alexandrien.
Was aber ist die „Station Schutz“ in der Anschrift? Hat es etwas mit Militär zu tun, oder war es vielleicht eine Forschungsstation?
Auf einer Internetseite https://www.kairofamiliennetz.de befindet sich eine Reisebe‐schreibung Alexandriens aus dem Baedeker „Ägypten und der Sudan“ aus dem Jahre 1906, die hier auszugsweise wiedergegeben wird:
Dicht an die Stadt gegen Osten dehnte sich Ramleh aus, eine Sandwüste mit einzelnen, regellos verstreuten, gartenumgebenen Landhäusern, nicht zwei unmittelbar nebeneinander, weiße und grüne Flecke im weiten blinkenden Sande. Kaum gab es hie und da ausgetretene Wege. Eine kleine Eisenbahn mit sechs Haltestellen führte bis ans Ende der Niederlassungen; die einzelnen Stationen waren nach den ersten Ansiedlern benannt: Mustapha Pascha, Bulkeley, Fleming, Bacos, Sefer, Schütz. …
Die Bahn führt bis Sidi Gaber parallel der Staatsbahn. Bald nach der Abfahrt links ins Meer vorspringend das kleine Fort Silsile; westlich öffnet sich ein kurzer Rückblick auf die sichelförmige SO‐Seite der Stadt. Weiter durch die Scherbenhügel des alten Nikropolis, der von Augustus auf der Stelle seines letzten Sieges über die Anhänger des Antonius
gegründeten großen östlichen Vorstadt von Alexandrien, nach der ersten Haltestelle Ibrahimje, mit einer griechisch‐orthodoxen Kirche, zahlreiche Villen und dem schön angelegten englischen Sporting Club mit Rennbahn. Bei der zweiten Haltestelle Sidi Gaber oder Mustafa (Station der Eisenbahn) eine vom jetzigen Chediw erbaute Moschee über dem Grab des mohammedanischen Heiligen Sidi Gaber. Links auf einer Anhöhe ein vom Chediw Isma’il erbautes, jetzt von der englischen Militärverwaltung benutztes vizekönigliches Schloß und ein Barackenlager der englischen Okkupations‐Garnison (Camp Moustapha). Hinter den Kasernen liegt am Meere die Badeanstalt der Jesuitenschule und dicht dabei eine griechische Grabanlage mit Wandmalereien. In der Nähe lag das Kasr el‐Kajasere (Cäsaren‐Schloß), ein befestigtes römisches Lager, das seine Steine zum Bau des Schlosses hergeben mußte. Eine 1 km östlich vom Lager unmittelbar am Meere gelegene Ruine eines dorischen Tempelchens, vielleicht das Grab der Stratonike, einer Geliebten des Ptolemäus Philadelphus, ist jetzt fast ganz verschwunden. Nun zwischen Villen und Gartenanlagen mit üppiger Vegetation hindurch. Bei der nächsten Station Carlton das Carlton‐Hotel. Es folgt die Station Bulkeley, mit englischer Kirche.
Ich unterbreche hier den Text mit dem Hinweis, dass sich die Angaben teilweise decken mit dem heutigen Plan der Straßenbahnlinien von Ramleh, und nun ab der Station Bulkeley bis zur Station Schütz kann man im oberen Teil des Linienverlaufs an der Ausbuchtung mit den in Grün und Blau angegebenen Haltestellen die oben genannten Haltestellen der Eisenbahn bis zum Ende der damaligen Niederlassungen verfolgen.
Der Baedeker‐Text fährt wie folgt fort:
Hier beginnen die eigentlichen Villenkolonien von Ramle (d. i. „Sand“), dem beliebtesten Sommeraufenthalt der wohlhabenden Familien Alexandrias und Kairos, mit vielen Landhäusern, eigener Wasserleitung und trefflichen Seebädern. Diese „ägyptische Riviera“ wird auch im Winter besucht. Von Bulkeley führt links eine Nebenstrecke über Haltestelle Nr. 1 und Haltestelle Nr. 2 nach S. Stefano und über Laurens zum Palast der Chediwa‐Mutter. An der Hauptlinie weiter die Haltestellen Fleming, … Bacós, der Hauptort vom Ramle mit Basar, Moschee, katholischer Kirche und Schule, Seffer und Schütz … sowie die Endstation S. Stefano. …“
El Wezarah hat es wohl damals noch nicht gegeben, Fleming hat noch den ehemaligen Namen, Bacós entspricht heute Bakus, Seffer ist Safar und Schütz ist nun mit Shots benannt.
Der Brief zeigt übrigens rückseitig auch noch einen dritten Stempel, nämlich den Ankunftsstempel von RAMLEH SCHUTZ 16 JL 98 mit weiterer arabischer Inschrift. Wer Madame Froelich war, ließ sich nicht herausfinden.
Als Aufgabestempel sehen wir den Einkreisstempel mit Zusatzzeilen STRASSBURG ELSASS‐RUPRECHTSAU * *, welcher in der Absenderangabe mit der französischen Bezeichnung ROBERTSAU vermerkt ist.
Also, ich fand die Recherche spannend!
Manfred Wiegand, Göttingen; wiegand.manfred@web.de