Hin und wieder findet man Freimarken der Serie PFENNIGE, deren Markenbild derart auffällig vom Normalen abweicht, dass man glauben könnte, es handele sich um Fälschungen. Insbesondere treten diese „Schlechtdrucke“ bei den Werten zu 3 und 25 PFENNIGE auf. Man findet sie schon zu Beginn der Ausgabe im Jahr 1875. Nachfolgend werden einige Exemplare solcher Drucke zusammen mit normalen Marken gezeigt. Letztere sind die mittleren Marken der ersten und zweiten Reihe.
Abbildungen solcher Marken finden sich auch im Handbuch Freimarkenausgabe PFENNIGE Deutsches Reich 1875 – Herstellung und Plattenfehler ‐ S. 26 unter Ziffer 4.2.1.
Beim Bild der 3‐Pf.‐Marken sind insbesondere die Guillochen und der Schraffengrund von den Schädigungen betroffen. Da es sich, wie im Handbuch PFENNIGE beschrieben, teilweise auch um überfärbte Drucke handelt, ist die Farbe in solchen Fällen – wie am Beispiel der rechten Dreier zu sehen ist – in sämtliche Vertiefungen des Klischees gelaufen bzw. gepresst worden, so dass ein verschwommenes Markenbild entstanden ist.
Bei der 25er zeigen sich die Mängel markenbildbedingt anders. Hier sind insbesondere die Buchstaben der Inschrift DEUTSCHE REICHS‐POST verkleckst bzw. zu Ovalen verlaufen, und in der Wertangabe PFENNIGE fallen viele kleine Brüche auf. Insgesamt wirken die Markenbilder bei beiden Werten unruhig.
Der Reichspost waren diese Drucke mit den markanten Abweichungen natürlich auch aufgefallen. Um keine Irritationen beim Publikum und bei den Bediensteten der Post aufkommen zu lassen, wurde Ende Mai 1875 die nachstehend abgedruckte Verfügung erlassen.
Verfügung Nr. 97 vom 29. Mai 1875:
„Kaiserliches General=Postamt.
An
die Kaiserlichen Post=Directionen.
Es ist vorgekommen, daß unter dem von der Königlichen Staatsdruckerei an die Ober=Postkas‐sen versandten Freimarken=Material sich unsauber gedruckte Bogen befunden haben, und daß die von solchen Bogen herrührenden Marken bei der Verwendung als unecht angehalten worden sind.
In Folge dessen wollen die Kaiserlichen Ober=Postdirectionen Ihre Ober=Postkasse anweisen, die bei derselben beruhenden Bestände an Freimarken in Bezug auf das Vorhandensein unsauber gedruckter Bogen durchzusehen und beim Vorfinden solcher Bogen dieselben nebst den Umschlägen der betreffenden Packete an die Königliche Staatsdruckerei zum Umtausch einzusenden.
An die Postanstalten dürfen mangelhaft beschaffene Bogen in keinem Falle abgegeben werden.
Die Königliche Staatsdruckerei wird Vorsorge treffen, um zu verhindern, daß mangelhaftes Material künftig zur Versendung komme.
I.V. Wiebe“
Eigentlich hätten bald darauf solche Marken nicht mehr vorkommen dürfen. Wie der Befund der 3 Pf. Mi.‐Nr. 31 zeigt, ist das bei diesem Wert, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch der Fall. Die Verwendung solcher Schlechtdrucke beschränkt sich im Wesentlichen auf das erste Halbjahr 1875. Bei der 25‐Pf.‐Marke Mi.‐Nr. 35 sieht es anders aus. Hohe Werte wurden weniger benötigt – im Falle von Mischfrankaturen zwischen Marken verschiedener Serien sprechen wir von einer „Verwendungsverschleppung“ ‐, und der Aufbrauch zog sich zunächst bis zum Herbst 1875 hin. Wenn auch eine Abgabe von Bogen mit solchen Marken an die Postanstalten untersagt war, lagen dort sicher noch ausreichende Mengen an den Schaltern, und es siegte letztlich doch wieder die Sparsamkeit, und sie wurden zur Frankierung verwendet. Auch im Jahre 1876 finden wir vereinzelt solche Marken, bevor sie dann im Jahre 1877 sogar wieder häufiger werden und Anfang 1878 mit einigen Nachläufern enden.
Man mag es aus ästhetischen Gründen ablehnen, solche „unschönen“ Briefmarken seiner Sammlung beizufügen, aber zur Dokumentation und im Vergleich mit feinen, sauberen Drucken sollte man sie in Abwandlung eines Schlagertitels von Daliah Lavi unter dem Motto der Überschrift dieses Artikels durchaus seiner Sammlung zufügen.
Ähnliche Stücke fanden wir von der 10 Pf. Mi.‐Nr. 33, und zwar mehrmals aus Rüdesheim und einmal aus Berlin. Diese Schwachdrucke sahen wir bisher auch nur aus dem 1. Halbjahr 1875. Sie haben eine ganz matte Farbe, die dennoch so verteilt ist, dass die Einrollungsverzierungen und andere Markenbildteile kaum zu erkennen sind.
Dirk Schmietendorf/Manfred Wiegand