„Königliche Hoflieferantin & Hofstickerin“
Bessert-Nettelbeck

Ein graphisch interessant gestalteter Briefumschlag, auffällig für eine Fahnen-Manufaktur in Berlin bedruckt und am 10.3.1880 mit beiliegender Drucksache nach Torgau versendet. 

Philatelistisch nichts Aufregendes, dennoch stutzte der Autor: Als Inhaberin der beworbenen Fahnen-Manufaktur wurde die „Seidenstickerin Fräulein Pauline Bessert-Nettelbeck“ genannt – eine Frau! Das war zu dieser Zeit völlig ungewöhnlich. Der Titel war nur mit einer besonderen Genehmigung durch den König bzw. durch den Kaiser möglich. Belegt sind im Zeitraum 1871 bis 1900 ganze 6 Frauen für das ganze Deutsche Reich mit dieser Auszeichnung, mit dabei auch das Fräulein Pauline Bessert-Nettelbeck in Berlin mit dem persönlichen Titel „Königliche Hoflieferantin & Hofstickerin“ und dem Recht das etwas veränderte preußisch-königliche Wappen öffentlich als Werbeträger zu verwenden. Das war schon was . . .

Das komplette Kaiserliche Wappen ab 1871. Ein Hoflieferant durfte jedoch nur das mittlere Feld von dem gesamte Wappen zeigen – siehe auf dem gezeigten Briefumschlag links oben.

Der Titel selbst konnte nur personenbezogen entweder verliehen oder vom Monarchen genehmigt werden.

1881wird Fräulein P. Bessert-Nettelbeck erstmalig im Berliner Adressbuch abgekürzt als „Hof-Sticker“ belegt, gemeinsam mit ihrem offiziellen männlichen Inhaber Robert Thiele.

Ab 1883 schaltet sie zusätzlich auf den Gelben Seiten zum Adressbuch Werbung über ihre Auszeichnungen aus dem ganzen Reich.  

1892 stellt sie sich wie folgt dar:

Beachtenswert: Fräulein Pauline wohnte in der Markgrafenstraße In einem Vorderhaus und auf der I. und II. Etage und hatte die zeitlich frühe Telefonnummer 90. 

1901 erfolgt eine weitere Veränderung: Fräulein Pauline zieht von der Markgrafenstraße in die Friedrichstraße um.

Ab 1910 können weder Fräulein Pauline noch Herr Thiele mit dem Adressbuch verfolgt werden; der Verbleib ist unbekannt.

Rainer Linden