Wann sieht man schon einmal eine solche Paketkarte aus der Zeit von 1875‐1900? Ich glaube, die meisten Sammler gehen davon aus, dass man Pakete nicht eingeschrieben versenden konnte. Die Haftpflicht seitens der Post für ein normales Paket war schon als gut anzusehen, so dass sich eine Einschreibung doch eigentlich erübrigte. 

Der Grund, dass jemand ein Paket eingeschrieben verschickte, war sicher der, dass er dann eine Einlieferungsbescheinigung erhielt. Denn im Mai 1848 wurde das Ausstellen von Einlieferungsscheinen für gewöhnliche Pakete, welches auf Wunsch erfolgt war, für diese aufgehoben und erst durch eine Novelle vom 22.5.1910 zum Gesetz über das Posttaxwesen im Gebiet des Deutschen Reichs vom 28.10.1871 wieder eingeführt, allerdings auch nur auf Antrag des Auflieferers. 

Eingeschriebene Pakete waren in Preußen eine Zeit lang möglich gewesen und dann wieder gemäß § 17 Abs. I des Postreglements vom 30.11.1871
ab 1.1.1872 zugelassen. Die folgende Postordnung vom 18.12.1874 wiederholt die Regelung für die Zeit ab 1.1.1875 in ihrem Paragraphen 16 Abs. I,
ihr folgend für die Zeit, aus der diese Paketkarte stammt, die Postordnung vom 8.3.1879 in § 15 Abs. I. 

Was sagt uns nun die vorliegende Karte? 

Das Gewicht des Paketes betrug ½ kg, die Entfernung von Lübeck nach Dresden war größer als 10 Meilen. Also betrug das Paketporto 50 Pf. Daneben war, ganz wie bei einem Brief auch, die Einschreibgebühr von 20 Pf. zu entrichten. Damit haben wir schon das Gesamtporto von 70 Pf. erklärt. Paketkarte und das Paket selbst waren als „Einschreiben“ zu kennzeichnen. Dies ist hier am oberen Kartenrand geschehen. Links darunter steht ein blaues „B“. Das sagt uns, dass es ein Beutelstück war. Pakete mit geringem Gewicht und/oder von geringer Größe wurden wegen der größeren Verlustgefahr in besonderen Beuteln befördert. 

Warum sehen wir keinen Einschreibzettel? 

Der Versand von Paketen per Einschreiben kam selten vor. Deshalb gab es am Paketschalter keine Einschreibzettel. Es wurde vielmehr ein Paketzettel für Wertpakete aufgeklebt, da die sonstige technische Behandlung wie bei Wertpaketen erfolgte. Diesen Zettel sehen wir oben in der Mitte. Er ist auf dem Ortsnamen Lübeck mit einem blauen „R“ für „Rekommandation“ gekennzeichnet. Die Benutzung dieses Begriffes war seit den Eindeutschungs-
bestrebungen von Heinrich von Stephan im Jahre 1875 zwar durch das Wort „Einschreiben“ ersetzt und nicht mehr zu verwenden, aber im praktischen Gebrauch hat sich eine Abkürzung „E“ nicht durchgesetzt, sondern das „R“ wurde beibehalten. 

Auf der Rückseite ist neben den üblichen Vermerken und Unterschriften insbesondere der Dresdener Ankunftsstempel interessant. Es ist ein Einkreisstempel mit Sternchen, aber die Anordnung von Postamtsziffer und Datum ist ungewöhnlich. Die Datumsangabe erinnert an die nachverwendeten Sachsenstempel, bei welchen der Monat ursprünglich abgekürzt in Buchstaben angegeben wurde und bei denen man später teilweise den Monat in Ziffern bezeichnet hat. Auch die einzahlige Uhrzeit unten in der Mitte ist vermutlich alter sächsischer Übung nachempfunden. 

Manfred Wiegand, Göttingen