Es ist ein Allgemeinplatz, dass unpräzise Adressangaben zu Verzögerungen bei der ordnungsgemäßen Zustellung von Postsendungen führen oder diese gar unmöglich machen können. Doch gaben die zuständigen Beamten selbst bei wenig erfolgversprechenden Angaben stets ihr bestes. So etwa im Fall eines vom Königlich Preußischen Amtsgericht Schlawe in Pommern verschickten Briefes, der am Abend des 13. April 1894 aufgegeben wurde und als Anschrift nur die Angaben trägt: „An den Tischlergesellen Herrn Hermann Braun zu Stettin.“

Bei einer derart unvollständigen Anschrift von einer erfolgreichen Zustellung der Sendung auszugehen, zeugt nicht nur von Optimismus, sondern auch tiefem Vertrauen in die Arbeit der Reichspost. Die durch letztere unternommenen Anstrengungen zur Ermittlung des Adressaten sind auf der Rückseite des Faltbriefes dokumentiert: Demnach ist der Brief am Vormittag des 14. April 1894 im Postamt 1 in Stettin eingegangen, was ein Stempelabschlag belegt.

Da die Sendung mit besagten Adressangaben nicht einfach zugestellt werden konnte, musste intern recherchiert werden. Zur Dokumentation dieser Bemühungen wurde ein Benachrichtigungsaufkleber aufgebracht, dessen Text das zugrunde liegende Problem verdeutlicht: „Ohne Wohnungs- Angabe oder / sonstige nähere Bezeichnung / ist Adressat in Stettin nicht zu / ermitteln. / Kaiserl. Post-Amt 1.“

Dabei hätte es die Reichspost bewenden lassen und den Gerichtsbrief zurückgeben können, doch suchte man noch weiter, wie zahlreiche Vermerke belegen. So wurde etwa erfolglos versucht den Adressaten in den Stettiner Postämtern 1, 6 und 8 durch Ausruf zu ermitteln, was den Notizen unter dem Benachrichtigungsaufkleber zu entnehmen ist. Noch im Postamt 1 vermerkte ein Postbeamter „Durch Ausruf nicht ermittelt“ und unterzeichnete. Nach ebenfalls erfolglosem Ausruf im Briefträgersaal der Postämter 6 und 8 zeichneten die zuständigen Beamten besagte Notiz jeweils nur noch kurz ab. Sie leiteten den Brief aber anschließend für abschließende Ermittlungen an die Polizei weiter, wo der diensthabende Beamte am 16. April 1894 notierte: „Ohne Angabe der Personalien / oder einer früheren Wohnung / polizeilich nicht zu ermitteln.“

Der Brief musste somit trotz intensiver Bemühungen unverrichteter Dinge an das Königlich Preußische Amtsgericht in Schlawe zurückgegeben werden. Dort nahm man ihn offenbar direkt zu den Akten, da er bis heute ungeöffnet geblieben ist. Man wusste ja, worum es ging.

Andreas Uhr, Hamburg
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