Österreich-Ungarn war Gründungsmitglied des Weltpostvereins. Aufgrund eines Postvertrages vom 7. Mai 1872 zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn gab es zwischen den beiden Ländern jedoch Wechselverkehr, d. h. bei der Briefpost galten die Inlandstaxen. Für den Brief waren somit 10 Pf. Porto zu entrichten.

Der Brief ist von Breslau nach Graz adressiert. Ich erwarb ihn wegen der auffälligen fünfzeiligen Anschrift, die sich aus drei Teilen zusammensetzt. Adressat ist G. Offlak zu Graz. Ein erster Zusatz lautet „In Beziehung auf den Hochwürdigen Vorstand des Missionshauses der Lazaristen“, ein weiterer – seitlich mit Rötel hervorgehoben – „zu den Testimoniales gehörig“.

Die Lazaristen, die es noch heute gibt, sind eine ordensähnliche Gemeinschaft von Weltpriestern, die 1625 in Paris gegründet wurde. Sie wirken in mehreren Ländern. In Deutschland nennen sie sich Vinzentiner. Ihre Spiritualität ist bestimmt vom Vertrauen auf die Güte Gottes, von der Nachfolge Jesu, der Solidarität mit den Armen und der Sorge um die Weitergabe des Glaubens. Zu ihren wesentlichen Aufgaben gehören die Pfarrseelsorge, die Seelsorge in Krankenhäusern und Altenheimen und die Behindertenseelsorge. In Graz wurden sie 1837 sesshaft, ab 1853 gab es dort ein Missionshaus. Die in der Adresse angesprochenen „Testimoniales“ sind zu übersetzen mit „Zeugnissen, Zertifikaten oder Referenzen“. Es könnte sich dabei um Angelegenheiten gehandelt haben, die Weihen bzw. Selig- oder Heiligsprechungsverfahren betrafen.

Absender war laut Siegeloblate der FÜRST-BISCHOF VON BRESLAU.

Ein Fürstbischof übte in Personalunion mit seiner geistlichen Macht auch weltliche Herrschaft über ein geistliches Territorium aus, dem er als Landesherr vorstand. Diese Funktion verschwand zwar Anfang des 19. Jahrhunderts mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Jahr 1806, die Bezeichnung überdauerte aber in einigen Bistümern bis nach dem 1. Weltkrieg.

Fürstbischof von Breslau war von 1887-1914 Georg Kopp (ab 1881 Georg von Kopp), * 1837 in Duderstadt im Eichsfeld, † 1914 in Troppau (Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/ Datei: Georg_Kardinal_Kopp.png; gemeinfrei).

Nach Studium und Priesterweihe wirkte er als Kaplan und Religionslehrer. Aus patriotischer Gesinnung legte er viel Wert auf ein gutes Einvernehmen mit der preußischen Regierung und Reichskanzler Otto von Bismarck. In der Folge wurde er 1884 in den Preußischen Staatsrat berufen und 1886 mit Zustimmung des Papstes zum Mitglied des Preußischen Herrenhauses ernannt, der ihn im August 1887 auf Wunsch der preußischen Regierung zum Fürstbischof von Breslau berief. Aufgrund seines Wirkens kann Kopp zu den bedeutendsten Kirchenfürsten seiner Zeit gezählt werden.

Da zum Breslauer Bistum auch Gebiete im damaligen Österreichisch-Schlesien gehörten, wurde er gleichzeitig mit der Ernennung Mitglied des österreichischen Herrenhauses und des Troppauer Landtages. Aus diesen Verbindungen hat sich auch die Bezeichnung Fürstbischof erhalten, da hier mit dem Titel zwar kein weltliches Herrschaftsgebiet, wohl aber bestimmte staatliche Funktionen innerhalb der habsburgischen Monarchie verbunden waren.

In der linken oberen Ecke des Briefes finden sich der Vermerk „G. K. 5472“, wobei „G. K.“ sicher die Abkürzung für den Namen „Georg Kopp“ ist. Die folgende Nummer wird ein Aktenzeichen sein.

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