Jahrhundertkarten erzählen... (1)


Auf den ersten Blick eine gewöhnliche Jahrhundertkarte mit Zusatzfrankatur zweier Krone/Adler Marken zu 10 Pfennig (Mi.-Nr. 47). Aber was heißt hier gewöhnlich - so sind doch diese Jahrhundertkarten mit Zusatzleistungen wie hier das Einschreiben doch nicht an jeder Ecke zu finden, wie auch schon ein früherer Artikel (Nr. 37) unserer AKTUELL-Reihe aufzeigt. Zudem wenn sich hinter der eigentlichen Postkarte noch eine kleine "Geschichte" verbirgt.

Beginnend mit diesem Artikel möchten wir im Rahmen dieser Reihe Jahrhundertkarten zeigen, hinter denen sich mit ein wenig Recherche mehr entdecken lässt als nur eine schön gestaltete Ganzsachenpostkarte mit eventueller Marken-Zufrankatur.

Jahrhundertkarte als Einschreiben von Altona an den Direktor der Brauerei Teufelsbrücke, die in Kleinflottbek ansässig war. Die Ursprünge gehen auf das Jahr 1716 zurück. In diesem Jahr erwarb Peter Nagel einen Gebäudekomplex an der Elbchaussee, Ecke Baron-Voght-Straße und erlangte die Brau- und Krugkonzession. Familie Nagel führte diesen Betrieb bis 1858. Danach erfolgte der weitere Ausbau zur Exportbrauerei Teufelsbrücke AG durch Charles Ross. Im Jahre 1918 Übernahme durch die Elbschloss Brauerei. Diese wiederum wurde 1993 durch Brau und Brunnen übernommen und in den Konzern eingegliedert. Die Brauerei wurde zur GmbH und kam 1996 zur Bavaria-St. Pauli-Brauerei AG, die ebenfalls zu B&B gehört. Die Elbschloss-Brauerei AG blieb Besitzgesellschaft für ihr Betriebsgrundstück. 1997 wollte Brau und Brunnen die Braustätte in Hamburg schließen. Die Freie und Hansestadt Hamburg erwarb daraufhin die Bavaria St. Pauli Brauerei GmbH und verkaufte sie kurz darauf wieder an die Holsten-Brauerei AG weiter.

Die fehlerhafte Adressangabe führte zu der Weiterleitung über Großflottbek schließlich nach Kleinflottbek - durch die Ankunftsstempel dokumentiert.

Die Absender der Neujahrsgrüße, Johs. und Sophia Wagner, waren wohl auf irgendeine Art verbunden mit dem Altonaer Concerthaus, wie der unten links abgeschlagene Stempel zeigt. Handelte es sich um das 1888 als Tivoli Theater am Schulterblatt 71 erbaute Haus? Dieses wurde im Lauf der Jahre mehrfach umbenannt. Es wurden zunächst Konzerte und Operetten, später Revuen und Varieté-Vorstellungen aufgeführt. Bis 1943 wurde das Theater bespielt, danach wurde es geschlossen und als Möbellager genutzt. Nach einer Renovierung wurde es 1949 wiedereröffnet. Von 1953 bis 1964 diente das Gebäude als Kino, dann zog ein Warenhaus ein. 1987 wollte der Musical-Produzent Friedrich Kurz das Gebäude zum Musical-Theater umbauen. Der massive Widerstand der Bevölkerung und die Besetzung durch die autonome Szene verhinderte dies. Heute ist das Gebäude unter der Bezeichnung Rote Flora bekannt.

Hans-Dieter Friedrich

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